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Narzissmus in Beziehungen und Beruf: Unsichtbare Dynamiken, spürbare Folgen

Narzisstisches Verhalten kann sich auf viele Arten zeigen – manchmal laut und offensichtlich, oft aber auch subtil, versteckt hinter Charme, Autorität oder scheinbarer Fürsorge. Ob im privaten Umfeld oder im Berufsleben: Die Auswirkungen solcher Beziehungsmuster sind tiefgreifend. Sie verunsichern, untergraben das Selbstwertgefühl und hinterlassen das diffuse Gefühl, nicht mehr auf sich selbst vertrauen zu können.

In meiner Arbeit begegne ich vielen Menschen, die sich lange Zeit gefragt haben, „ob sie übertreiben“, „zu empfindlich sind“ oder einfach „besser funktionieren“ müssten. Das ist kein Zufall: Narzisstische Dynamiken beruhen oft auf Manipulation, Schuldumkehr und Grenzverletzung – und gerade diese machen es so schwer, sie zu erkennen und sich daraus zu befreien.

Was viele nicht wissen: Narzisstisches Verhalten ist kein Randphänomen. Es zeigt sich in Familien, in Teams, bei Führungskräften, Kolleg:innen oder Partner:innen – und ist meist eingebettet in Strukturen, die es dulden oder sogar begünstigen. Die Folge: Menschen passen sich an, werden still, zweifeln an sich selbst oder brennen aus.

Doch es gibt Wege heraus. Und sie beginnen damit, das Erlebte zu verstehen, einordnen zu können und neue Grenzen zu setzen. In meiner Begleitung lege ich besonderen Fokus auf die Stärkung der Selbstwahrnehmung, die Rückgewinnung von Selbstwirksamkeit und die Entwicklung gesunder Distanz zu destruktiven Mustern. 

Was dich in diesem Beitrag erwartet:

  1. Was bedeutet „narzisstisch”
  2. Was sind manipulative Strategien
  3. Was bedeutet Verantwortung übernehmen
  4. Was diese Muster mit Betroffenen machen
  5. Was du tun kannst, wenn du betroffen bist
  6. Wie du andere unterstützen kannst
  7. Ein Gedanke zum Abschluss

Was bedeutet „narzisstisch“ eigentlich?

Manchmal spüren wir im Kontakt mit bestimmten Menschen ein dumpfes Unwohlsein, fühlen uns klein gemacht, übergangen oder emotional erschöpft — ohne genau benennen zu können, warum. Häufig stecken dahinter Interaktionen mit narzisstisch geprägten Verhaltensmustern, die unsichtbare Dynamiken schaffen, aber sehr reale Folgen für das psychische Wohlbefinden haben.

Dem Begriff Narzissmus begegnet man seit einiger Zeit immer häufiger im Alltag. Daher ist mir wichtig zu unterscheiden: In diesem Beitrag geht es nicht um die narzisstische Persönlichkeitsstörung, wie sie in der Psychologie diagnostiziert wird. Diese stellt ein extremes Ausmaß dar und betrifft nur eine vergleichsweise kleine Anzahl an Menschen.

Im Folgenden beziehe ich mich auf narzisstisch geprägte Verhaltensmuster und Beziehungsmuster, die im Alltag viel häufiger vorkommen – im Job, in der Familie, in Freundschaften. Es geht um wiederkehrende Dynamiken, bei denen die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und das eigene Ansehen systematisch über die der anderen gestellt werden. Kritik wird abgewehrt, Verantwortung verschoben, und Beziehungen dienen häufig dazu, das eigene Selbstwertgefühl abzusichern.

Oft zeigen sich narzisstische Dynamiken in Form von überhöhten Erwartungen, mangelnder Empathie und Schuldzuweisungen. Betroffene erleben sich als dauerhaft falsch, nie genug oder verantwortlich für das emotionale Wohlbefinden anderer.

Auch in Teams und Organisationen können narzisstische Muster auftreten. Etwa wenn Kritik nicht möglich ist, Erfolge konsequent vereinnahmt und Fehler auf andere abgewälzt werden. Das führt zu einer Atmosphäre aus Angst, Unsicherheit und mangelnder psychologischer Sicherheit.

Typische manipulative Verhaltensweisen und Dynamiken

Bevor wir einsteigen, ein wichtiger Hinweis:

Die folgenden Verhaltensmuster sind nicht automatisch ein Zeichen für Narzissmus. Sie können auch von anderen Persönlichkeitstypen und in ganz unterschiedlichen Beziehungskonstellationen eingesetzt werden — teils bewusst, teils aus eigenen Unsicherheiten heraus.

Dennoch treten sie in narzisstisch geprägten Dynamiken besonders häufig auf und wirken sich auf Dauer belastend und verunsichernd auf das Umfeld aus. Wer solche Muster erkennt, kann besser für sich sorgen, Grenzen setzen und sich der eigenen Wahrnehmung wieder anvertrauen.

Hier ein Überblick über typische manipulative Strategien, die im Alltag — im Job, in Familien und in Partnerschaften — vorkommen können:

1. Doppelbotschaften (Double Binds)
Eine der subtilsten und gleichzeitig verwirrendsten Formen der Manipulation.
Es werden zwei sich widersprechende Botschaften gleichzeitig vermittelt, bei denen egal, wie du dich verhältst, du es scheinbar falsch machst (bzw. machen könntest). 
Beispiel: „Komm mehr aus dir heraus – aber pass auf, dass du nicht überheblich wirkst“
Aber auch Aussagen, die nicht zur Körpersprache passen gehören dazu, z.B. wenn jemand mit wütendem Gesichtsausdruck sagt, es sei alles in Ordnung.
Doppelbotschaften führen oft zu Unsicherheit, Schuldgefühlen und dem Gefühl, sich nie richtig entscheiden zu können.

 

2. Gaslighting
Eine Form der psychologischen Manipulation, bei der die Wahrnehmung oder Erinnerung der anderen Person gezielt infrage gestellt wird. Typisch sind Sätze wie „Das hast du dir nur eingebildet.“ oder „Du bist so sensibel, verstehst du keinen Spaß?“
Ziel ist es, das Selbstvertrauen der anderen Person zu untergraben.

 

3. Schuldumkehr (Blame Shifting)
Eigene Fehler oder problematische Verhaltensweisen werden konsequent abgestritten oder anderen in die Schuhe geschoben. Kritik wird abgewehrt, indem man die Schuld für die Situation beim Gegenüber sucht: „Wenn du nicht so empfindlich wärst, hätten wir das Problem nicht.“

 

4. Silent Treatment (Schweigen als Waffe)
Kommunikation wird verweigert, um Kontrolle auszuüben oder zu bestrafen. Das Gegenüber wird ignoriert oder abgewertet, indem es mit Schweigen oder abweisendem Verhalten „kaltgestellt“ wird.

 

5. Überhöhte Erwartungen & plötzliche Entwertung
Menschen werden idealisiert, wenn sie nützlich oder bewundernd sind, und ebenso schnell abgewertet, wenn sie eigene Grenzen zeigen oder Erwartungen nicht erfüllen. Dieses Auf-und-Ab destabilisiert Beziehungen und sorgt für emotionale Abhängigkeit.

 

6. Verdeckte Abwertungen
Scheinbar harmlose Bemerkungen, die unterschwellig abwerten oder verunsichern sollen. Beispiel: „Für deine Verhältnisse war das wirklich ganz gut.“

 

7. Schuldgefühle erzeugen
Durch gezielte Bemerkungen oder Vorwürfe wird das Gegenüber dazu gebracht, sich schuldig zu fühlen — selbst für Dinge, für die es keine Verantwortung trägt

"Es war nicht so gemeint“ ist kein Freifahrtschein: Warum Wirkung mehr zählt als Absicht

Respekt zeigt sich nicht nur in guten Absichten, sondern vor allem im Umgang mit den Auswirkungen des eigenen Verhaltens. Es spielt eine untergeordnete Rolle, ob jemand „etwas nicht so gemeint“ hat — entscheidend ist, wie es bei dir angekommen ist. Deine Gefühle sind berechtigt, weil der erlebte Schmerz, die Irritation oder das Unbehagen real sind. Ein Mensch, der dich respektiert, wird nicht nur seine Absicht betonen, sondern anerkennen, was seine Worte oder Taten bei dir ausgelöst haben. Verantwortung übernehmen heißt, auch die Wirkung ernst zu nehmen — unabhängig von der ursprünglichen Intention.

Verantwortung zu übernehmen bedeutet nicht, sich für alles schuldig zu fühlen — sondern anzuerkennen, dass das eigene Verhalten eine Wirkung hatte. Selbst wenn etwas unbeabsichtigt passiert, wie jemandem versehentlich anzurempeln, macht es einen Unterschied, ob wir darüber hinweggehen oder uns kurz ehrlich entschuldigen. Diese Haltung lässt sich üben, indem wir uns z.B. in zwischenmenschlichen Situationen bewusst fragen: Wie könnte mein Verhalten gerade bei der anderen Person angekommen sein? und Was braucht es jetzt, um das wahrzunehmen und gegebenenfalls zu korrigieren? Empathie und die Bereitschaft, die eigene Perspektive nicht absolut zu setzen, sind dabei der Schlüssel. Verantwortung zu übernehmen heißt, die Beziehung ernst zu nehmen — auch, wenn wir keine „Schuld“ im klassischen Sinn tragen.

Mögliche Folgen solcher Verhaltensweisen

Solche Dynamiken können zu chronischem Stress, innerem Rückzug, Überangepasstheit und Selbstzweifeln führen. Besonders belastend: Die Dynamik bleibt oft unsichtbar, weil sie subtil oder gesellschaftlich gedeckt ist („Er ist halt sehr ehrgeizig.“ / „Sie meint es ja nur gut.“).

Was kannst du tun, wenn du betroffen bist?

  • Wahrnehmen und benennen:
    Der erste Schritt ist immer, das eigene Unwohlsein ernst zu nehmen und Muster zu erkennen. Wo werde ich kleingemacht? Wo darf ich nichts fühlen? Wo wird meine Leistung oder mein Beitrag unsichtbar gemacht?

  • Eigene Grenzen klären:
    Mach dir bewusst, was du brauchst, und was du nicht mehr akzeptieren möchtest. Klare innere und äußere Grenzen sind der beste Schutz.

  • Verlässliche Menschen suchen:
    Vertraue dich Personen an, die empathisch und urteilsfrei zuhören können — ob im Freundeskreis, im Team oder im professionellen Rahmen.

  • Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge stärken:
    Erinnere dich daran, dass du nicht verantwortlich für das Verhalten anderer bist. Sorge gut für dich, entwickle deine Kommunikations- und Abgrenzungsfähigkeit weiter und suche dir Unterstützung, wenn nötig.

  • Wenn nötig und möglich: auf Distanz gehen.

Was kannst du tun, wenn du merkst, dass andere betroffen sind?

Wenn du merkst, dass Menschen in deinem Umfeld unter narzisstischem Verhalten leiden, kann es hilfreich sein, ihnen zunächst zuzuhören, ohne die Situation zu verharmlosen oder zu relativieren. Bestärke sie darin, dass ihre Wahrnehmung und Gefühle berechtigt sind. Oft zweifeln Betroffene an sich selbst, weil sie subtil manipuliert oder abgewertet wurden. Du musst nicht alles lösen — schon allein das Angebot, da zu sein, die Realität der betroffenen Person anzuerkennen und ihr gegebenenfalls zu helfen, Unterstützung zu finden, kann enorm entlastend wirken. Je nach Kontext, kannst du Psychologische Sicherheit aktiv fördern:
Im Team kannst du beispielsweise, wenn möglich, Gespräche über Umgangsformen und Zusammenarbeit initiieren, Feedback-Runden anregen oder dich für eine offene Fehlerkultur einsetzen.

Wichtiger Gedanke zum Abschluss:

Narzisstische Dynamiken entfalten ihre Macht vor allem dort, wo niemand sie anspricht. Sie entziehen Menschen ihre Selbstwirksamkeit, untergraben psychologische Sicherheit und verhindern echte Verbindung. Ob im Team, in Freundschaften oder in der Familie — du darfst deine Gefühle und Grenzen ernst nehmen. Und du darfst dir Räume suchen, in denen du dich zeigen kannst, wie du bist.

Du willst dich von destruktiven Beziehungsmustern lösen und wieder mehr bei dir ankommen?
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